Kommentar zur gescheiterten Lohnrunde in der Regionalkommission Ost im September 2016
Eine altbekannte Nachricht: Die Lohnrunde in der Regionalkommission Ost ist mal wieder gescheitert. Aus Sicht der Arbeitgeber waren die Arbeitnehmervertreter wohl zu gierig. Aus Sicht der Arbeitnehmerseite war das Angebot der Arbeitgeber wohl zu niedrig.
Wir fragen uns: Wie kann es sein, dass die Arbeitnehmervertreter zu viel gefordert haben? Vor dem Hintergrund, dass die Löhne im Vergleich zum Bundesmittelwert bis zu 89% abgesenkt sind, können wir uns keine Forderung der Arbeitnehmerseite vorstellen, die zu hoch ist. Dabei gehen wir davon aus, dass nicht mehr als 100% des Bundesmittelwertes gefordert wurden.
Wir fragen uns: Wie begründen die Arbeitgebervertreter ihre zu niedrigen Lohnangebote? Die Begründung kann nicht sein, dass die Lebenshaltungskosten niedriger sind. Eine Statistik mit einem solchen Ergebnis gibt es nicht und der Urlaub auf Mallorca kostet für einen Urlauber aus Thüringen genauso viel, wie für einen Urlauber aus Hessen.
Wir fragen uns: Wie kann es sein, dass einerseits bei den Lohnrunden der ÄrztInnen die Abschlüsse des Marburger Bundes immer sofort umgesetzt werden, sich andererseits jedoch die Arbeitgebervertreter der Übernahme des Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes, der durch die Beschlüsse der Bundeskommission abgebildet wird, verweigern?
Wir fragen uns: Wieso kann den Arbeitnehmern der „Westlohn“ vor dem Hintergrund nicht gezahlt werden, dass in vielen Bereichen (z.B. Krankenhäuser) sich die Einnahmen zwischen Ost und West nicht unterscheiden, bzw. öffentliche Verhandlungspartner in den Pflegesatzverhandlungen die durch Tarifvertrag entstandenen Löhne anzuerkennen haben?
Wir fragen uns: Wieso stellen Einrichtungen, die eine ernsthafte Schieflage zu verzeichnen haben, keine sogenannten §-11-Anträge? Liegt es vielleicht daran, dass sie dann ihre wirtschaftliche Situation offen legen müssten?
Wir fragen uns: Wie kann es sein, dass die Arbeit der KollegInnen im Osten finanziell weniger wert ist als im Westen?
Wir fragen uns: Wie stehen die Arbeitgeber zu den Grundsätzen der katholischen Soziallehre, sind sie doch durch Artikel 1 der Grundordnung dazu verpfichtet, ihr berufliches Handeln an der Glaubens- und Sittenlehre der katholischen Kirche auszurichten?
Wir fragen uns: Wie kann die Arbeitgeberseite vor dem Hintergrund der katholischen Soziallehre verantworten, dass es bei den Arbeitnehmern zwischen Ost und West zu einem Wohlstandsgefälle kommt, mit der Konsequenz, dass insbesondere in den unteren Lohngruppen Armut, Kinderarmut und Altersarmut entstehen bzw. sich verstärken?
Wir fragen uns: Kann die Bistumsleitung es verantworten, dass im verfasst kirchlichen Bereich die Abschlüsse der Tarifverhandlungen des öffentlichen Dienstes übernommen werden und einige durch eine Verbeamtung eine hohe Sicherheit genießen, während bei den ArbeitnehmerInnen im Bereich der Caritas, im Verhältnis zum öffentlichen Dienst, die Löhne abgesenkt sind und die Erhöhungen mit großen zeitlichen Verzögerungen umgesetzt werden?
Wir fragen uns: Wie will die Katholische Kirche den durch das Grundgesetz ermöglichten arbeitsrechtlichen Sonderweg weiterhin aufrechterhalten? Der dritte Weg kann nur Bestand haben, wenn es hier bessere Arbeitsbedingungen gibt als bei vergleichbaren öffentlichen oder privaten Arbeitgebern. Ein Sonderweg der Kirche ist abzulehnen, wenn bei ihr einerseits keine vorbildlichen Arbeitsbedingungen herrschen, andererseits die Arbeitnehmer jedoch keine Möglichkeit haben, sich z. B. durch Streik gegen schlechte Arbeitsbedingungen zu wehren. Solange die Verhandlungen in der Regionalkommission von den Arbeitnehmervertretern als „Betteln“ erfahren werden, kann von einer Dienstgemeinschaft, in der die MitarbeiterInnen aktiv an der Gestaltung und Entscheidung über die sie betreffenden Angelegenheiten mitwirken (vgl. Präambel der Grundordnung), keine Rede sein.
Wir fragen uns: Was dürfen, können oder müssen ArbeitnehmerInnen der Caritas tun, damit ihre berechtigten Forderungen um einen angemessenen Lohn berücksichtigt werden?
Der Vorstand der Diözesanen Arbeitsgemeinschaft der MAVen im Erzbistum Hamburg
Quelle: Newsletter der DiAG MAV Hamburg