Schere zwischen Ost und West geht weiter auf

(Berlin, Hamburg, 2.12.2014) Anlässlich des kürzlich gefeierten 25. Jahrestages der Maueröffnung sind Caritas-Mitarbeiter im Osten empört: Die Arbeitgeberseite vergrößert die Schere zwischen Ost- und Westgehältern beim katholischen Wohlfahrtsverband. Bis zum Jahr 2009 glich sich der Abstand der Caritas-Löhne Ost bis auf 96 Prozent des Westniveaus an. Seit fünf Jahren ist diese Entwicklung im Osten wieder gegenläufig. Nach Vorstellung der Arbeitgeberseite der Caritas soll der Unterschied jetzt noch größer werden. Nachdem die erste Verhandlungsrunde im Tarifkonflikt für die 30.000 Beschäftigten Ende Oktober ergebnislos blieb, starten Caritas-Mitarbeiter Protestaktionen am 4. Dezember, um 11 Uhr, in Berlin am Pariser Platz und am 4. Dezember, um 14 Uhr, in Hamburg, Am Mariendom 4.

Im Osten bis zu 17 Prozent weniger

Caritas-Mitarbeiter im Osten verdienen mittlerweile wieder bis zu 17 Prozent weniger als ihre Kollegen in den westlichen Regionen. Zudem müssen sie bis zu 1,5 Stunden mehr pro Woche arbeiten. Die Mitarbeitervertreter der Region Ost fordern daher für die 30.000 Mitarbeiter des katholischen Wohlfahrtsverbandes (neue Bundesländer, Berlin, Hamburg, Schleswig-Holstein) in der Tarifverhandlung für 2014 eine Vergleichbarkeit der Tabellen Ost/West und eine deutliche Angleichung an die mittleren Werte der Bundesebene der Caritas. Für diese beschloss die Bundeskommission im September u.a. Gehaltserhöhungen rückwirkend zum 1. Juli 2014 um mindestens 3,0 Prozent (unter Berücksichtigung eines Garantiebetrages von 90 EUR) und zum 1. März 2015 um weitere 2,4 Prozent.

„Leidtragende sind immer die Mitarbeiter“

„Seit Jahren erfolgt die Übernahme der Eckpunkte im Osten deutlich verspätet, nur nach Vermittlungsverfahren und mit verwässerten Ergebnissen. Leidtragende sind immer die Mitarbeiter“, sagt Peter Feistel, Sprecher der Mitarbeiterseite der Regionalkommission Ost. Neben der Übernahme der Eckpunkte erwarten die Mitarbeiter daher jetzt einen verbindlichen Fahrplan für die Ost-West-Angleichung. Die Arbeitgeber boten zuletzt zwar eine Erhöhung an, sie lag aber erneut deutlich unter dem Eckpunktebeschluss des Bundes. „Man muss bedenken, dass die Arbeit in den Krankenhäusern, in der Pflege, in den KiTas, in der Behindertenhilfe, in der Kinder- und Jugendarbeit und in den Beratungsstellen in Ost wie West die gleiche ist“, so Feistel. Schließlich seien auch in vielen Bereichen des täglichen Lebens die Verhältnisse inzwischen angeglichen.

Für die nächste Verhandlungsrunde am 9. und 10. Dezember 2014 in Berlin zeichnen sich schwierige Gespräche zwischen der Mitarbeiter- und der Arbeitgeberseite ab. Die Mitarbeiter der Caritas sind enttäuscht und verbittert, dass ihre Arbeitgeber den umgekehrten Weg eingeschlagen haben. Auch von den verbindenden Gedanken der christlichen Dienstgemeinschaft und der Lohngerechtigkeit hätten sich die Caritas-Arbeitgeber im Osten schon länger verabschiedet. Obwohl sie stets eine strukturelle Unterfinanzierung beklagten, setzten sie sich nicht ausreichend auf sozialpolitischer Ebene und in Verhandlungen mit den Geldgebern für den hohen Wert der Sozialen Arbeit ein. Sie verfolgen stattdessen zunehmend regionale und einrichtungsbezogene Interessen und wälzen finanzielle Risiken des Wettbewerbsdrucks auf die Mitarbeiter ab. So gingen beispielsweise in der vergangenen Tarifrunde die unteren Lohngruppen (Reinigungskräfte, Küchenhelfer, Hauswirtschaft) leer aus. Auch die schwere Arbeit in der Altenpflege wurde nur stiefmütterlich bedacht. Ob künftig ein Fahrplan für die Angleichung Ost/West beschlossen wird, sehen die Vertreter der Mitarbeiterseite als fraglich an.

Die Forderungen der Caritas-Mitarbeiter Region Ost:

  • Anhebung der Vergütungen in den neuen Bundesländern auf 97 Prozent des Westniveaus der Caritas
  • Anhebung der Vergütungen in Berlin, Hamburg und Schleswig-Holstein auf 100 Prozent
  • mindestens 60 € mehr für Auszubildende ab September 2014
  • keine weiteren Verzögerungen bei den Erhöhungen

Mehr Informationen bei https://www.akmas.de/

Der „Dritte Weg“

Im kirchlichen Bereich werden Tarifabschlüsse auf dem sogenannten „Dritten Weg“ durch paritätisch besetzte Gremien ausgehandelt. Der „Dritte Weg“ sieht Verhandlungen auf Augenhöhe vor. Arbeitskampf durch Streik ist nicht vorgesehen. Erst nach einem (Übernahme-) Beschluss der Regionalkommission Ost und der Inkraftsetzung der Bischöfe kommt mehr Geld bei den Mitarbeitern an.

Beispiel:

Vergleich der Brutto-Vergütung einer ungelernten Pflegehelferin in der stationären Altenhilfe der Caritas in den neuen Bundesländern zu den jeweils geltenden Vergütungen bzw. den mittleren Werten der Westregionen in den Jahren 2000 bis 2015

(nur Grundvergütung bzw. Regelvergütung in den Vergütungsgruppen Kr. 1 (BAT basierte AVR) bzw. Kr. 3A der Anlage 32 Ost (Ost) (TvöD basierte AVR) Werte in DM, ab 2002 in EUR)

Gültig ab

West

Gültig ab

Ost

Differenz

Prozentsatz

01.08.2000

2025,19

01.08.2000

1761,92

-263,27

87,00%

01.01.2001

1792,29

-232,90

88,50%

01.09.2001

2073,79

01.09.2001

1835,30

-238,49

88,50%

01.01.2002

1060,31

01.01.2002

954,28

-106,03

90,00%

01.07.2003

1085,76

01.07.2003

988,04

– 97,72

91,00%

01.07.2004

1096,62

01.07.2004

1014,37

– 82,25

92,50%

01.11.2004

1107,59

01.11.2004

1024,52

– 83,07

92,50%

01.01.2007

1035,60

– 71,99

93,50%

01.01.2009

1771,55

Umstellung auf TvÖD*

Nicht vergleichbar

01.01.2010

1784,42

01.04.2010

1658,14*

-126,28

92,90%

01.09.2010

1674,72

-110,28

93,90%

01.01.2011

1795,13

-120,41

93,30%

01.08.2011

1804,10

-129,38

92,80%

01.07.2012

1713,90

– 90,20

95,00%

01.11.2012

1893,38

-179,48

90,50%

01.07.2014

1977,49

?

-263,59

86,70%

01.03.2015

2058,13

?

-344,23

83,30%

In den Westregionen erfolgte die Umstellung auf die AVR neu am 1. Januar 2009, in der Region Ost erst zum 1. April 2010. Daher sind die Werte im Jahr 2009 nicht vergleichbar.