Nach kirchlicher Lehre darf Arbeit nicht die Menschenwürde verletzen, indem sie ohne Not unsichere Lebensverhältnisse schafft und die Lebens- und Familienplanung einschränkt. Trotzdem hat sich die Praxis, Arbeitsverhältnisse ohne Sachgrund zu befristen, mehr und mehr auch im kirchlichen Bereich eingebürgert. Die Delegierten der BAG MAV rufen die kirchlichen Entscheidungsträger nun dazu auf, ihr personalpolitisches Handeln nach den Vorgaben der kirchlichen Lehrschreiben auszurichten und solche Befristungen künftig zu unterlassen. Am 20. Januar 2016 beschloss deshalb die Mitgliederversammlung der Bundesarbeitsgemeinschaft die Frankfurter Erklärung, deren Wortlaut wir hier wiedergeben:
Frankfurter Erklärung der BAG MAV zu sachgrundlosen Befristungen bei kirchlichen Rechtsträgern
In Canon 1286 CIC heißt es: „Die Vermögensverwalter haben bei der Beschäftigung von Arbeitskräften auch das weltliche Arbeits- und Sozialrecht genauestens gemäß den von der Kirche überlieferten Grundsätzen zu beachten.“2
Die Grundsätze der Kirche sind in vielfältigen Lehrschreiben der Päpste von 1891 (Rerum Novarum) über Quadragesimo Anno (1931), Mater et Magistra (1961), Pacem in Terris und Gaudium et Spes (1965), Laborem Exercens (1981) und anderen bis Laudato Sí aus 2015 ausführlich beschrieben.
Allen Päpsten liegt in den Enzykliken und Verlautbarungen die soziale Frage am Herzen und die menschliche Arbeit wird immer wieder als Schlüsselthema der gesamten sozialen Frage in den Mittelpunkt gerückt. In besonderer Weise ist hier „Laborem Exercens“ von Papst Johannes Paul II aus dem Jahr 1981 hervorzuheben.
Dort heißt es in Abschnitt I.1: „Wohl aber hält es die Kirche für ihre Aufgabe, immer wieder auf die Würde und die Rechte der arbeitenden Menschen hinzuweisen und die Situationen anzuprangern, in denen diese Würde und diese Rechte verletzt werden, und auch ihren Teil dazu beizutragen, diesen Änderungen eine solche Richtung zu geben, dass dabei ein echter Fortschritt für den Menschen und die Gesellschaft entsteht.“3
In „Caritas in Veritate“ schreibt Papst Benedikt XVI im Jahre 2009: „Wenn jedoch die Unsicherheit bezüglich der Arbeitsbedingungen infolge von Prozessen der Mobilität und der Deregulierung um sich greift, bilden sich Formen psychologischer Instabilität aus, Schwierigkeiten, eigene konsequente Lebensplanungen zu entwickeln, auch im Hinblick auf die Ehe“4 und hier meint der Papst sicher die Familie mit.
Auch Papst Franziskus äußerte sich in seinem Apostolischem Schreiben „Evangelii Gaudium“ in Kapitel II Rn. 53 entsprechend: „Ebenso wie das Gebot „du sollst nicht töten“ eine deutliche Grenze setzt, um den Wert des menschlichen Lebens zu sichern, müssen wir heute ein „Nein zu einer Wirtschaft der Ausschließung und der Disparität der Einkommen“ sagen. Diese Wirtschaft tötet.“5
Diese von der Kirche überlieferten Grundsätze sind nach Canon 1286 CIC bei kirchlichen Dienstverhältnissen selbstverständlich einzuhalten.
Der starke Anstieg befristeter Arbeitsverhältnisse von 1996 bis 2012, wie es das IAB Betriebspanel 20126 darlegt, sollte kirchliche Rechtsträger insofern nachdenklich machen, dass diese Beschäftigungsform mit Canon 1286 CIC nicht vereinbar ist.
Befristete Arbeitsverhältnisse verschärfen die Gefahr von Armut und Altersarmut. Sie beeinträchtigen die Lebensqualität und die Lebensplanung der Beschäftigten bis hinein in die persönlichsten Entscheidungen zur Familiengründung. Sie verhindern den Erwerb von Wohnungseigentum und lösen nicht nur Angst vor Arbeitslosigkeit aus, sondern vermindern das Vertrauen in die eigene Kompetenz.
Für das Verlagern des unternehmerischen Risikos auf die Dienstnehmerseite müssen die Betroffenen einen hohen Preis zahlen. Zitat: „Der menschliche Preis ist immer auch ein wirtschaftlicher Preis und die wirtschaftlichen Missstände fordern immer auch einen menschlichen Preis.“7 Der Grundsatz der Dienstgemeinschaft wird von den betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als Zweiklassendienstgemeinschaft erlebt.
Aus diesen Erwägungen heraus fordern die Delegierten der BAG MAV die kirchlichen Entscheidungsträger dazu auf, ihr personalpolitisches Handeln hinsichtlich sachgrundloser Befristungen nach den Vorgaben der kirchlichen Lehrschreiben auszurichten und solche Befristungen künftig zu unterlassen!
Die Entscheidungsträger würden damit ein deutliches Zeichen setzen, dass die sozialpolitischen Enzykliken in den eigenen Einrichtungen umgesetzt werden und die Grundordnung angewendet wird, in der es heißt: „Das kirchliche Arbeitsrecht muss daher außer den Erfordernissen, die durch die kirchlichen Aufgaben und Ziele gegeben sind, auch den Grundnormen gerecht werden, wie sie die Katholische Soziallehre für die Arbeits- und Lohnverhältnisse herausgearbeitet hat.“8
Gleichzeitig ruft die Mitgliederversammlung der BAG MAV dazu auf, dass die Mitglieder in den Kommissionen sich dafür einsetzen, dass die arbeitsrechtlichen Ordnungen dahingehend geändert werden, dass eine sachgrundlose Befristung von Dienst- und Arbeitsverträgen nicht möglich ist.
Frankfurt, am 20. Januar 2016
1BAG MAV: Bundesarbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen im Bereich der deutschen Bischofskonferenz
2Codex Iuris Canonici – Online, Buch 5, Titel II – Vermoögensverwaltung
3 Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 32, Laborem Exercens, S.5
4 Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 186, Caritas in Veritate, S.36
5 Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 194, Evangelii Gaudium, S.45
6 Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (Hrsg.), IAB- Stellungnahme / Befristete Beschäftigung 1/2014, Anhang, Tabelle 1, S.9
7 Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 186, Caritas in Veritate, S.47
8 Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), Die deutschen Bischöfe Nr. 95 in der Fassung vom 01.12.2015. Kirchliches Arbeitsrecht, S.20
Quelle: BAG-MAV